Save the Last Ride
Ein Statement zum letzten Maifeld Derby
Liebe Freund*innen!
Wir müssen einsehen, dass das Hindernis vor uns immer größer und unüberwindbarer wird. Nach der Pandemie waren wir mit Bundesmitteln gedopt und konnten so ein paar mächtige Ochser und Wassergräben überqueren. Aber nun sind diese ausgelaufen und wir stehen wieder an der Startposition, die uns bereits 2019 zur temporären Aufgabe gezwungen hat. Nur der Förderbedarf ist durch steigende Personalkosten, gesunkene Kaufkraft / Inflation, gestiegene Künstlergagen, veränderte Konsumgewohnheiten, etc. nochmal deutlich höher geworden. Das Maifeld Derby steht für ein kuratiertes Programm, welches seiner Zeit oftmals voraus ist. So eine innovative Programmgestaltung ist außerhalb der Metropolen nicht ohne dauerhafte Förderung aufrechtzuerhalten. Wir bieten einen gesellschaftlichen und kulturellen Mehrwert, der sich nicht allein über Eintrittspreise finanzieren lässt.
Im Spätsommer haben wir bei der Stadt Mannheim auf Nachfrage des sehr engagierten und unterstützenden neuen Kulturbürgermeisters Thorsten Riehle unsere Förderbedarfe für eine Fortführung formuliert und Anfang Oktober vor dem Kulturausschuss präsentiert. Wir dachten als amtierendes „Best Small Festival“ Europas haben wir bei der UNESCO City of Music Mannheim endlich eine Chance auf einen absolut bescheidenen Mindestbedarf, um das Maifeld Derby in der gewohnt ambitionierten und kuratierten Form weiterführen zu können. Jedoch kann uns die Politik hier weiterhin keine befriedigende Perspektive aufzeigen. Im Falle einer positiven Rückmeldung hatten wir bereits mit einem neuen Träger und externer Geschäftsführung Gespräche geführt, die das Maifeld Derby nach 2025 weitergeführt hätten.
Zur Info: Wir haben in den Jahren 2011 bis 2019 zwischen 5.000 und 20.000 € bekommen, 2022 dann 50.000 €, 2021 + 2023 + 2024 jeweils 100.000 €. Für 2025 sind wieder 100.000 € eingestellt, danach nichts. Unser Gesamtvolumen liegt bei etwas unter 1 Mio. Als Zuschuss-Bedarfe haben wir für 2025 mindestens 200.000 € formuliert und ab 2026 mindestens 300.000 €. Als Grundlage, um weitere benötigte Drittmittel akquirieren zu können. Hierfür müsste zumindest eine Fraktion einen Antrag stellen, über den dann im Haushalt in 2 Wochen abgestimmt wird. Allerdings stehen nun weiterhin „nur" 100.000 € Anträge von DIE GRÜNEN und SPD ab 2026 im Raum und dann müssten wir auf weitere Mittel aus anderen Töpfen von Land und Bund hoffen. Also, auch nach 14 Jahren wäre weiterhin eine Hängepartie angesagt. Auch wenn wir hier aktuelle Bemühungen durchaus zu schätzen wissen, aber das ist zu ungewiss und nach all den Jahren und Verdiensten einfach auch zu wenig. Wir waren immer sehr dankbar für jeden Cent, aber haben bereits vor fast 10 Jahren einen höheren Bedarf als die 100.000 € formuliert, um das Maifeld Derby zumutbar auf diesem Niveau halten zu können. Jedoch hat der eigene Antrieb und Verzicht das trotzdem immer wieder irgendwie möglich gemacht. Dass nun weiterhin von diesem Betrag gesprochen wird, ist mehr als unangemessen. Bereits 2016 hat eine renommierte Agentur in Kooperation mit dem Mannheimer Stadtmarketing eine Umwegrentabilität i.H.v. fast 1 Mio für die Stadt berechnet - von daher auch abseits der qualitativen Aspekte schon ein Gewinn für die Stadtgesellschaft. Aber genug Zahlen…
Und ich schwenke auch die Ich-Form. Ich kann mich nicht mehr von Jahr zu Jahr hangeln und weiter in dieser Ungewissheit verharren. Das Maifeld Derby ist eine gemeinnützige GmbH, d.h. es dürf(t)en keine Gewinne ausgeschüttet werden. Aber ich trage das alleinige und volle Risiko und das beschäftigt 365 Tage im Jahr. Bis vor einem Jahr wurde ich vom ehemaligen Bürgermeister Grötsch komplett ignoriert und mir wurde über Jahre hinweg jegliche Förderwürdigkeit über Kleckerbeträge hinaus abgesprochen. Im Zuge der Aufarbeitung bin ich auf so einige unbeantwortete E-Mails gestoßen....
„Wo soviel Bier getrunken wird, das kann keine Kultur sein“, wurde mir mal von Unbekannt aus dem Rathaus zitiert. Das hat sich eingebrannt und ist sinnbildlich. Zuletzt hab ich 2023 kurzfristig einen Urlaub abgesagt, um einen Antrag auf institutionelle Förderung zu stellen. Abgelehnt und jegliche Hoffnung gleich wieder begraben. Danke für nichts. Während sich die aktuellen politischen Vertreter*innen glaubwürdig bemüht zeigen, war dies in der Vergangenheit bis auf ein paar Ausnahmen leider anhaltend nicht der Fall. Hier wurde strikt zwischen förderwürdiger Hochkultur und ausnahmslos kommerzieller Popkultur getrennt. Keine Trennschärfe. Von dem Verständnis einer Musikstadt war nie etwas zu spüren.
2016 habe ich als Reaktion das Zeltfestival Rhein-Neckar gegründet, um so durch die Querfinanzierung das Maifeld Derby abzusichern. Die Arbeit wurde immer mehr und das Konstrukt immer komplexer. Und auch wenn das zum Teil gut funktioniert hat, ist damit jetzt Schluss. Jegliche Kapazitätsgrenzen sind weit überschritten und das finanzielle Risiko ist nicht mehr darstellbar. Daher auch der Schritt, dies jetzt anzukündigen, noch vor den Haushaltsbeschlüssen, die ja keine Hoffnung auf zumutbare Grundsicherung bringen können. Das ist keine Perspektive. Beim Maifeld Derby waren noch nie mehr als 2 Personen angestellt und wir brauchen dringend Entlastung. Auch wenn ich mir damit vielleicht auch ein paar Optionen auf Unterstützung für die 14te Auflage verbaue, aber ich muss diese Entscheidung jetzt treffen und hinausposaunen. Es ist keine Kraft mehr da, weiter mehrgleisig zu planen. Es ist auch mental und emotional einfach nicht möglich, immer mit dem Rücken zur Wand zu stehen und fortlaufend verschiedene Szenarien zu denken. Wenn ich mir eins zum Abschluss wünschen darf, dann ist es ein rauschendes Fest und viel Spaß.
Danke für Euer Vertrauen und Euren Support! ❤️🐴
Timo Kumpf
P.S.: Natürlich gibt es auch noch weitere aufreibende Themen, die den Fortbestand des Maifeld Derbys hier erschweren. z.B die Marktdominanz der Big Player oder auch wie money driven mittlerweile manche Künstler*innen sind. Aber das würde hier jetzt den Rahmen sprengen.
Hier mein Appell an die Fraktionen, im Nachgang an die Präsentation im Kulturausschuss der Stadt Mannheim am 9.10.2024 per E-Mail:
Das seit 2020 gemeinnützige Maifeld Derby wurde als Liebhaberprojekt von mir gegründet. Ohne Strategie, aber mit viel Herzblut und bereits damals mit viel Wissen, Kompetenz und Kredibilität. Das Programm ist kuratiert und nicht nachfrage-orientiert. Bereits in meiner Bachelor-Arbeit an der Popakademie habe ich aufgeführt, dass sich der hohe inhaltliche Anspruch dieser Veranstaltung am Standort Mannheim dauerhaft nicht wirtschaftlich umsetzen lässt. Daher habe ich 2016 das Zeltfestival Rhein-Neckar gegründet (seit 2020 ZRN Event GmbH), um mit nachfrageorientierten Konzerten auf der Hauptbühne des Maifeld Derby Kosten zu teilen und ggf. Defizite vom Maifeld Derby zu decken. Ebenso veranstalte ich seit 2012 als Delta Konzerte UG bis zu 80 Konzerte jährlich in der Metropolregion. Damit habe ich auch neben dem Maifeld Derby für eine sehr bemerkenswerte Aufwertung des Kulturraums Mannheim gesorgt. Siehe Präsentation: Im Jahr 2022 habe ich 12.000 Besucher*innen in die Alte Feuerwache gebracht.
Die Qualität und die Leuchtturm-Funktion des Maifeld Derbys muss ich nicht mehr weiter erläutern. Hier spricht der Titel „Bestes Europäisches Festival 2023“, die ARTE Concert Berücksichtigung, die Auslandswahrnehmung und die unzähligen Stimmen von Presse und Fachleuten (einen kleinen Auszug finden sie in der Präsentation) für sich. Aber auch neben der Musik leisten wir schon seit 2011 wichtige inhaltliche Arbeit: Wir vernetzen lokale Institutionen, kümmern uns um Ehrenamt, Diversität, Inklusion, kulturelle Teilhabe, Nachhaltigkeit (auch hier waren wir bereits 2012 auf der Shortlist der European Festival Awards), setzen uns für Demokratie ein und setzen der internationalen musikalischen Ausrichtung in allen weiteren Bereichen eine sehr ausgeprägte Regionalität entgegen.
Nun bin ich (erneut) an einem Punkt angekommen, an ich meine eigenen Kapazitätsgrenzen überschritten habe und zudem hat sich die allgemeine Wirtschaftslage als freier, unabhängiger Konzertveranstalter so drastisch verschlechtert, dass eine Fortführung von Maifeld Derby ohne dauerhafte Förderung nicht möglich ist. Ich kann das nicht mehr aus eigener Tasche subventionieren und halte dies auch nicht mehr für zeitgemäß. Der aufgeführte Förderbedarf i.h.v. 200k (2025) und 300k (2026 ff.) wird alleine durch die Umwegrentabilität um ein Vielfaches übertroffen. Weiterhin sind neben der qualitativen Abstrahlung auch die wirtschaftlichen Effekte ganzjährlich sehr positiv. Ich möchte betonen, dass diese Summe einen wirklich bescheidenen Mindestbedarf darstellt, der keinesfalls das unternehmerische Risiko rausnimmt oder mich persönlich irgendwie besser stellt. Ich habe Effizienz gelernt und kann aus wenig sehr viel machen. Das wäre die Grundlage / der Auftrag die Ärmel hochzukrempeln zu können und auch weiterhin alle Bemühungen um weitere Drittmittel, Crowdfunding, Sponsoring und mehr Besucher*innen anzustreben. Etwaige Gewinne (die ich aber kurz- und mittelfristig als unrealistisch einschätze) würden investiert oder im Sinne der Gemeinnützigkeit zurück an die Gemeinschaft gegeben. Ohne diese Unterstützung muss ich das Maifeld Derby in Mannheim nach 2025 einstellen. Ebenso muss ich dann die Fortführung der Konzertreihe "Zeltfestival Rhein-Neckar" und das Jugendkultur Format "DASDING Festival" in Frage stellen, deren Gründung ja ausschließlich die Durchführung des Maifeld Derbys gewährleisten sollte.
Das ist ein komplexes Konstrukt, welches ich mir hier aufgebaut habe. Noch dazu in einer sehr komplizierten und schwer nachvollziehbaren Branche. Aber im Grunde ist das auch eine sehr große Chance. Soviel Marktkompetenz hat keine andere Kulturinstitution in Mannheim. Ich bin die im Pop-, und Konzertbereich am besten vernetzte Person der Metropolregion bzw. würde ich mich hier sogar bundesweit sehr weit vorne verorten. Mein Hauptberuf ist das Veranstalten von Konzerten. Zum Großteil bediene ich hier mittlerweile die Nachfrage der lokalen Zielgruppe und arbeite gewinnorientiert. Inhaltlich ist der bildende, kulturell- wertvolle Anteil dieser Konzerte oft sehr gering. Mit absteigender Tendenz. Hier bin sowohl als Vater eines 14-jährigen Jungen, als auch als Connaisseur der nationalen und internationalen Popkultur sehr besorgt. Daher habe ich das idealistisch geprägte Maifeld Derby gegründet und bis heute zu dem gemacht was es ist: Eine Veranstaltung mit Anspruch, Bildungsauftrag, Strahlkraft und Anerkennung, die Mannheim auf der internationalen Landkarte ne Nadel setzt. Wie das Reeperbahnfestival für Hamburg, das Popkultur Festival für Berlin oder das About Pop für Stuttgart.